Tuesday, January 20, 2015

Folge 76: An der schönen Autobahn

Lebring, das klingt fast wie eine steirische Auspuffmarke und hat auch einigen automobilen Bezug. Der größte Autofahrerverein des Landes hat hier ein großes Testzentrum und die Abfahrt der A9 zwischen Graz und Spielfeld ist eine der wenigen Attraktionen. Nicht, weil hier ein sehenswerter Kreisverkehr mit Blumenschmuck oder Kunsthandwerk wartet, sondern weil unmittelbar an der Abfahrt Lebring der Zieglerwirt zu finden ist. Speziell am Wochenende sind die Grazer und Leibnitzer Kennzeichen der PKWs am gut gefüllten Parkplatz ein Indiz dafür, dass an diesem Ort Qualität zu ausgesprochen vernünftigen Preisen geboten wird. Eines unserer Lieblingsgasthäuser in der Steiermark, das kann man ganz klar sagen. Und weil man sich hin und wieder vergewissern muss, dass eh noch alles in Ordnung ist, waren wir am vergangenen Sonntag in... erraten: Lebring.

 Die Lungenstrudelsuppe? Wie immer eine wunderbare Rindssuppe mit perfekter Einlage. Der Backhendlsalat? Wahrlich beliebt bei Alt und Jung. Der gekochte Tafelspitz? Zartes Fleischerl und das alles mit einem wahnwitzig guten Apfelkren und einer mehr als großzügigen Portion Röstkartoffeln versehen. Höhepunkt der Veranstaltung an diesem Tag war aber ganz klar das Schulterscherzl mit Püree und Gemüsestreifen. Dazu bekommt man bei Familie Schweinzger serienmäßig erstklassige Bedienung sowie Wein- und Dessertkultur. Und die Winterjacken erinnern einen auch nach Stunden noch daran, dass man nicht im neuen gut durchlüfteten Veggie-Restaurant war, sondern in einem richtigen steirischen Wirtshaus. Bravo!


Zieglerwirt, Stangersdorf 13, 8403 Lebring, Tel. 03182 2410, Di Ruhetag, Sonn- und Feiertag ab 16 Uhr geschlossen, die Website präsentiert sich ausgesprochen übersichtlich: http://zieglerwirt.at/

Friday, January 9, 2015

Folge 75: Ein Scherzerl in Ehren

Tom Riederer, einer der unzweifelhaft besten Köche der Steiermark, ist ein vergleichsweise ruhiger und in jedem Fall dezenter Gastgeber. Die Übersiedlung von Leutschach nach St. Andrä im Sausal passt da durchaus ins Programm. Weiter entfernt von den touristischen Trampelpfaden, für Gourmets erreichbar, für Kritiker aber nicht einfach im Vorüberfahren "mit zu nehmen". Der alte Pfarrhof, durch den uns Riederer und seine Frau Katarina zu Beginn unseres Besuches führen, vereint ein paar außergewöhnlich stilvolle Hotelzimmer im alten Gemäuer (mit Zugang zum Garten und zum Pool), einen bestens sortierten Weinkeller und ein schön renoviertes und mit einem Kubus erweitertes Haupthaus.

Auf Details hat man bei der Planung und der Einrichtung wirklich rundum geachtet, das Besteck kommt aus bestem französischem Hause, die Gläser sind eine Spezialanfertigung, es gibt Drehsessel an den Tischen, feinstes Leinen von Leitner und ein überzeugendes Farbkonzept. Die Küche, auch die dürfen wir besichtigen, ist groß, elegant, technisch auf dem neuesten Stand und vor allem: Picco bello!

Das kulinarische Grundkonzept von "Tom kocht" wurde beibehalten, ein Überraschungsmenü in rund 10 Gängen (inklusive den Grüßen aus der Küche um 99 EUR), das viele vorwiegend heimische Zutaten mit dem einen oder anderen ungewöhnlichen Bestandteil mixt. Dazu gibt es eine Weinbegleitung (in der Regel zwischen 38 und 49 EUR), die man nach Belieben ergänzen oder auch verkürzen kann. Liebhaber vegetarischen oder veganen Essens sollten ihre Vorlieben vorab telefonisch bekannt geben. Die Chefin ist neben dem Service vor allem auch für die Weine zuständig, hat solides Wissen über die hiesigen Angebote, speziell auch im sich erfreulich entwickelnden Bio-Bereich.

Die optische Inszenierung des Essens ist im Vergleich zu den Leutschacher Zeiten des Tom Riederer zurückhaltender geworden. Die Qualität ist wie gewohnt in der hiesigen Top-Liga angesiedelt. Das große Speisen beginnt mit Kugeln aus knusprigem Kalb mit Paprikaspeck dazu gibt es Pomeranzensaft. Es folgt eine herzhafte Essenz vom Kalb mit Paradeisermus und dann ein fantastisches Kalbsbeuschel. Rohmilchkäse, Walnusstapenade und hausgemachtes Kartoffelbrot bilden einen charmanten Zwischengang, ehe es zum Fisch geht. Der Kärntner Lachs (Foto) mit "angetrockneten" Erdäpfeln und einer selbst groß gezogenen herrlich aromatischen Zitrone ist ein Gedicht. Das Sulmtaler Ei mit Kichererbsenpüree steht dem freilich um nichts nach. Eine Entdeckung dabei: Die Belper Knolle aus der Schweiz, die darüber gerieben wird.

Bei den Hauptgängen (keine Angst, die Portionen sind wie ersichtlich nicht so groß, dass man platzen würde) wird zuerst Barsch mit Paradeiserkraut und Kümmelbröseln geboten, geschmacklich noch übertroffen von der Perlhuhnbrust mit einem Wachtelei und grandios fruchtiger Tomate. Der klare Protagonist des Abends ist dann das Stierscherzl (Foto) mit Spinat, Wurzelwerk, einem tollen Rotkrautkompott und einem kleinen Stück ungestopfter Gänseleber. Besser geht es wohl kaum und in der Relation führen einen die Desserts dann folglich auch nicht zu noch größerer Begeisterung. Der Blauschimmelkäse dominiert über Apfel und Brioche, das Nusstabulé mit Kokos und Kokosmilcheis ist nett, aber unaufregend, wie auch der abschließende Hanfkuchen mit Mascarpone und Mangoeis. In Summe jedenfalls ein grandioser kulinarischer Ausflug, der von Graz aus in einer Dreiviertelstunde aus bewältigbar ist.

Prädikat: Sollte man gesehen und gekostet haben!

Tom R., St. Andrä im Sausal 1, Tel. 0660-4008734, MI-SA ab 19 Uhr, 
Reservierung unter www.tomr.at

Fotos: haubentaucher.at